Ausgerechnet während der Mailänder Fashionweek verabschiedet sich der
Autofokus meines 50mm-Objektivs. Der Canon-Reparaturservice
ist hoffnungslos überlastet und sieht sich außerstande, innerhalb von 2 Tagen
Abhilfe zu schaffen. Da ich noch ein Greenhorn bei den Modenschauen
bin, weiß ich nicht, dass Canon eigens einen Verleih für die gelisteten Fotografen der Schauen
eingerichtet hat.
Ich fahre also zu einer freien Reparaturwerkstatt. Am Empfang steht neben
mir ein italienischer Fotograf, der einem Techniker auf seinem Laptop zeigt,
was mit den Bildern nicht in Ordnung ist. Auch ich schaue auf die Bilder. Super
Licht, tolle Models in Lingerie. Dabei wirkt der Fotograf so serios und
bodenständig.
Bevor er die Werkstatt verläßt, spreche ich ihn an. Wir tauschen unsere
Visitenkarten aus. Beppe Buttinoni
photography steht auf seiner.
Bei mir zuhause schaue ich auf seine Homepage. Sein Studio liegt außerhalb
Mailands, ca. 30km. Ich rufe ihn an, einen Monat später sitzen wir am Piazza San Babila
zu Mittag. Ich bin neugierig.
Bereits als Kind ist er losgezogen und hat alles fotografiert, was ihm
interessant erschien. Er hat Fotokurse besucht, nicht nur in Italien. Auch in der Schweiz. Seine
Fotografenausbildung hat er in den 80ern am Mailänder Institut für Europäisches
Design kurz IED absolviert. Von
seinen Ersparnissen kaufte er sich eine Hasselblad später eine Sinar,
in der Beleuchtung setzte er auf Hensel.
Nachdem er es schaffte 2 Großkunden zu gewinnen, einer war der Ottokonzern,
der andere ein italienisches Bodybuildingmagazin, gewährte die
Bank ihm einen Kredit und Beppe konnte nur 2min Fußweg von seiner Haustür entfernt sein eigenes
Fotostudio eröffnen.
Damals, versicherte er mir, war
sowas noch möglich, denn die Immobilienpreise waren akzeptabel und Banken
förderten Unternehmensgründungen. Heute
sei das anders. Bänker und
Makler suchen das schnelle große Geld und sind an kleinen und mittleren Firmengründungen nicht interessiert.
Einige Wochen nach unserem Pranzo (Mittagessen) konnte ich Beppe in
seinem Studio besuchen. Sein Assistent
holte mich vom Bahnhof in Treviglio ab. 10 min später erreichten wir sein
Studio. Es liegt am Rande eines Gewerbeparks, mit Blick über die Felder der
lombardischen Poebene. Außen weist nichts außer ein kleines Firmenschild auf
sein Fotostudio hin.
Eben eingetreten weiten sich auch schon meine Augen, mein Fotografenherz
hüpfte.
Jeweils 180qm auf 2 Etagen, bestens ausgerüstet. Ein Set war aufgebaut.
Linker Hand der Schminktisch gute 2 Meter lang, dahinter der Spiegel mit über
20 Glühlampen. Der Visagist war bereits bei der Arbeit, das brasilianische Model
sah noch etwas müde aus.
„Caffé, Brioche?“
„Si.“
Es wurde serviert, dann kleiner Studiorundgang.
Die Räume strahlen im Vergleich zu den großen Mailänder Mietstudios
familiäre Arbeitsatmosphäre und Geborgenheit aus. Alle, die mit ihm
zusammenarbeiten, sollen sich wohlfühlen. Das sei die Garantie für gute Ergebnisse.
In der oberen Etage befanden sich Postproduktions- und Bewirtungsbereich. Im
unteren eigentlichen Studio das schwer gesicherte Technikdepot, Badraum mit
Dusche, Abstellkammer, Schminkbereich ... nichts fehlte.
Heute wie zu Beginn sind das Gros
seiner Aufträge Katalogproduktionen, vornehmlich für Unterwäsche, Bademode,
Dessous, Schlafanzüge. Editorials hat er zurückgestellt, sie seien nicht
sonderlich lukrativ. Höchstens wenn es ein interessantes Projekt ist, lässt er
sich darauf ein, wie etwa für Playboy France auf Sansibar.
„Wenn Dir ein Magazin die Reisen zu fernen
paradisischen Orten finanziert, dann drückt man beim Honorar schon mal die
Augen zu. Schließlich passiert es nicht jeden Tag, dass Du ein Topmodel in Sansibar fast wie Gott es schuf
vor der Linse hast. Wenn’s ginge würd ich’s selbstverständlich öfter machen,
aber wer zum Broterwerb fotografiert, muss viele Kompromisse eingehen. Wenige Kunden haben das Budget, mit einer
ganzen Crew in die Südsee zu fliegen, um dort eine Woche mit allem drum und
dran zu shooten.
Man muss sich mal durchrechnen, was es kostet nur einen
Tag lang ein ganzes Team sprich Model,
Stylist, Visagist, Assistenten
und allerlei andere Dinge zu finanzieren.“
Aufträge über eine Agentur hat Beppe selten. In der Regel hat er den
Direktkontakt zum Kunden. und sieht sich als dessen Dienstleister, der dafür da
ist, entweder die Kundenwünsche 1zu1 in Bilder umzusetzten oder den
Kunden, der weniger konkrete Vorstellungen vom Bildkonzept hat, Vorschläge zu
unterbreiten.
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Backstage Andrea Morelli |
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Katalogshooting f. Schlafanzüge |
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Sansibar |
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